Montag, 14. Dezember 2009

Was verbirgt sich hinter Anubias sp. Frazeri?



Im Laufe des letzten Jahrzehntes war diese Anubias zwar ständig in den meisten US-Zoogeschäften zu kaufen, jedoch wussten wir über diese Pflanze sehr wenig. Auch heutzutage ist es nicht klar, welchen Platz Anubias sp. Frazeri in der Systematik dieser Gattung einnimmt. Ich bin mir nicht sicher, wie die Bezeichnung dieser Pflanze geschrieben werden muss – als die einer Sorte oder als ein Handelsname. Einen Hinweis auf die Registrierung der Sorte Anubias ‘Frazeri’ konnte ich nicht finden, deswegen entschied ich mich dafür, den Zusatz “sp.” hinzuzufügen, was in der Systematik eine nicht näher bezeichnete Spezies bedeutet.

Es wird vermutet, dass die Pflanze zu Ehren des bekannten Züchters Edwin Frazer genannt wurde, der sein ganzes Leben in Australien gearbeitet hat. Deshalb ist es vielleicht möglich, dass Anubias sp. Frazeri eine von Frazer oder einem anderen Botaniker geschaffene Hybride ist. Ich machte mich mit dieser Anubias vor drei Jahren bekannt. Nachdem ich das Paket von einem amerikanischen Internet-Shop geöffnet hatte, sah ich eine kleine Anubias-Staude mit lanzettlichen Blättern, die mich an A. barteri var. glabra oder A. afzelii erinnerten. Ich staunte nicht schlecht, als in einem halben Jahr eines der Blätter (gleich an der Basis der Blattlamina) kleine, aber deutliche “Ohrläppchen” aufwies.
Eine weitere Kultivierung zeigte, dass die Blattlamina sehr variabel sein kann, was auch von den Haltungsbedingungen abhängt. Sogar bei erwachsenen Pflanzen variiert sich die Form der Blattlamina von herz- bis ohrenartig gerundet. Als ich mir diese “Ohrläppchen” zum ersten Mal anschaute, dachte ich an Englers Buch “Das Pflanzenreich” und seine A. auriculata Engler. Dies hat mich auf die Idee gebracht, dass Anubias sp. Frazeri die moderne “Verkörperung” von A. auriculata sein könnte.


Aber ich zweifelte noch eine Weile, denn es gab keinen Blütenstand von Anubias sp. Frazeri. Eine Recherche im Internet führte mich zum Photo von dem US-amerikanischen Freund der Pflanzen Cesar A. Castillo, doch die Qualität des Bildes war nicht ausreichend, um die Struktur der männlichen Blumen am Blütenkolben betrachten zu können. Im Nachhinein bildete die Pflanze einige Infloreszenzen, die mit denen von A. hastifolia ähnlich waren. Genau zu dieser Art zählte Wim Crusio in seiner Revision A. auriculata. Die Farbe der Infloreszenz erwies sich als sehr veränderlich, eben so wie die Form der Blätter. Ich sah zum Beispiel Blütenstände mit der rötlichen Spatha, mit rosa Staubfaden oder Narben.

Die Synandrien bestehen aus 4-6 zusammengewachsenen Staubfaden. Die Theken befinden sich an der Kante oder auch seitlich des Synandriums. Darüber hinaus kann Anubias sp. Frazeri zu A. hastifolia zugerechnet werden, denn die Kriterien der Identifizierung von Anubias-Arten sind ziehmlich vage und undeutlich. Wenn es aber um eine Hybride geht, so muss unter den Eltern ohne Zweifel A. hastifolia sein.


Bei der emersen Haltung zeigt sich Anubias sp. Frazeri als eine sehr anspruchslose Pflanze und wächst ziemmlich zügig. Die Blätter sitzen am Rhizom sehr weit voneinander, darum kann diese Anubias in relativ kurzer Zeit eine große Fläche in einem Florarium oder Paludarium bewachsen.


Der Autor dieses Beitrages: Dmitry Loginov.
Aus dem Russishen übersetzt von Alexander Grigorov

Photos: Dmitry Loginov und Cesar A. Castillo.


Der Autor benutzte Information von den folgenden Internetseiten:http://www.tropica.ru/modules/ss/item.php?itemid=144 and http://www.tropica.ru/forum/index.php?showtopic=22863

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Algen im Aquarium

Die Algenplage ist eines der größten Probleme der Aquarianer. Besonders stark leiden die Liebhaber von langsam wachsenden Wasserpflanzen wie Anubias, denn manchmal müssen sie mehrere Wochen lang auf das neue Blatt warten, um dann alle Phasen seiner Entwicklung zu beobachten, während die Algen dieses Blatt innerhalb weniger Tage verderben können. Die Teilnehmer unseres Forums sammelten genug Information über die Bekämpfung dieser “Eroberer” und ich versuche hier die Ergebnisse unserer Beobachtungen zu summieren.



Zuerst möchte ich bemerken, dass es zwar viele Typen der Algen gibt, doch die häufgiste Ursache fast jeder Algenpflage ist die Zerstörung des biologischen Gleichgewichts, das von tausend verschiednen Faktoren abhängt: von Bestand und Zahl der Tiere, Pflanzen bis Intensivität der Beleuchtung usw. Manchmal weisen die Algen auf das “Reifen” des Aquariums, also auf das Erreichen des berüchtigten Gleichgewichts hin. Aber in den meisten Fällen müsste man die Erscheinung der neuen “Gäste” ins Auge fassen und nötige Maßnahmen treffen. Also, was tun, wenn Anubias von Algen befallen wurde? Am gefährlichsten sind die Vertreter der Gattung Compsopogon, die unter Aquarianern als “Bartalge” genannt wird.

Auf den Blättern und besonders an ihren Rändern tauchen sie in Form von schwarzen Punkten oder Pinseln auf. Es ist ist ausgesprochen schwer, diese Algen mechanisch zu entfernen, ohne die Gewebe des Blattes zu zerstören. Deshalb wird vielleicht keiner der Aquarianer das machen. Der einfachste Ausweg aus dieser Situation ist die Verwendung der biologischen Methoden. Zum Beispiel, kann man die Garnelen der Gattung Caridina oder Schnecken der Gattungen Theodoxus, Clithon oder Neretina kaufen, die dann die Algen fressen werden. Der Einsatz größerer “Algenvernichter” wie Crossocheilus siamensis ist gewöhnlich nicht effizient. Die Überzeugung, die emerse Haltung der Anubias (über Wasser) könne die Algen bekämpfen, bleibt auch ein Irrtum. Erstens, verschwindet Compsopogon von den Blättern nicht völlig, wobei die Algen so tun, als ob sie austrocknen und an die Oberfläche des Blattes “kleben”. Zweites, passt sich die “Urkraut” sehr gut an die emersen Bedingungen an und wächst auch bei hoher Luftfeuchtigkeit. Nach dem Gesagten kann man vermuten, dass hier die chemischen Bekämpfungsmethoden in den Vordergrund rücken können.

Großer Popularität erfreut sich in Russalnd eines der billigsten Spülmittel, das Natriumhypochlorit (NaOCl) enthält. Ein kurzzeitiges Spülen (30-60 Sekunden) der Anubias-Blätter führt zum Absterben der Bartalgen. Dabei sind die Gewebe des Blattes durch die gut entwickelte Kutikula geschützt und werden fast nicht beschädigt. Man muss nur Kontakte zwischen der Natrium-Hypochlorit-Lösung und den Wurzeln und Wachstumspunkten vermeiden. Nach der Behandlunh müssen die Blätter unter fliessendem Wasser sorgfältig gespült werden. Zwei oder drei Tage nach der Behandlung trennen sich die oxidierten Algenreste im Aquarium von den Blättern ab und werden von vielen Fischen, zum Beispiel von den Panzerwelsen gern gefressen. Zum Schluss möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass man mit der Haushaltschemie sehr vorsichtig umgehen muss.

Der Autor dieses Beitrages: Dmitry Loginov.

Der Autor benutzte Infos von den folgenden Internet-Seiten:(http://www.tropica.ru/forum/index.php?showtopic=18300, http://www.tropica.ru/forum/index.php?showtopic=22808)

Übersetzt aus dem Russischen: Alexander Grigorov

Fotos: Eugeniy Tochenov, Alexander Grigorov and Vladislav Elbakyan.

© Dmitry Loginov
© Alexander Grigorov

Dienstag, 24. November 2009

Die erste Erwähnung von Anubias in der Fachliteratur

Achtung: Diese kleine Einleitung zu Schotts Skizzen basiert nur auf zum Teil glaubwuerdigen Tatsachen! Dies ist also meine persoenliche Vision, die nicht unbedingt den realen Ereignissen entsprechen muss!

1857 erhielt Heinrich Schott, Direktor der österreichischen Hofgärten und der kaiserlichen Menagerie eine Sendung aus Schweden. Der Name des Senders war Elias Magnus Fries, Direktor des Museums und des Gartens der Uni Uppsala. In einem Holzkasten befand sich ausser anderen Pflanzen eine abgezehrte Staude, die eine mehrere tausend Kilometer lange Reise nach Wien hinter sich hatte. In seinem Begleitbrief, der auch eine Liste von den zugesandten Pflanzen enthielt, ging es um eine unbekannte Art. In dem Kommentar schrieb Herr Fries, dass diese Staude aus Adam Afzelius’ Pflanzensammlung stammte, die die Verwandten des verstorbenen Botanikers an die Universität Uppsala verkauft hatten. Der hochbetagte Fries hatte keine Zeit, sich mit der afrikanischen Erbschaft von Afzelius zu beschäftigen, denn seine wissenschaftliche Leidenschaft waren immer Pilze. Er wusste über das Interesse des Wieners an der Flora des “Schwarzen Kontinents” und schickte dem Kollegen einige Exemplare aus der Sammlung. Kurz entschlossen benannte Schott den “Neuling” mit dem klangvollen Namen “Anubias”, einer Ableitung vom “Anubis”, dem altgägyptischen Totengott. Am 27. November 1757 schickte der Hofgärtner seine “Aroideen-Skizzen” an die Redaktion des Ősterreichischen Botanischen Wochenblatts. So entstand in der Fachliteratur die allererste Erwähnung einer der populärsten Aquarienpflanzen. Den vollen Text der “Skizzen” finden Sie unten. Die Bilder zeigen Pflanzen aus den Sammlungen Dmitry Loginovs und des Botanischen Gartens Moskau.



Aroideen-Skizzen
Von H. Schott.

Unter den Exemplaren, welche Afzelius in Sierra-Leone sammelte, befindet sich eines, das unsere Aufmerksamkeit besonders verdient. Ob die Pflanze, der diess Exemplar entnommen wurde, eher den terrestren oder epidendren Gewächsen zuzuzählen, war wegen Unvollkommenheit desselben nicht feslzusetzen. Allein sowohl das Blatt mit seiner Aderung, wie die den Blüthenkolben umhüllende Spatha bestimmten sogleich zur Anerkennung euner noch nicht dagawesenen Gattung, die sich auch beш weiterer Untersuchung der Blüthe als vollkommen gerechtfertigt erwies. Wir glauben das interessante Genus aus einer uns leider noch immer zu unbekannt gebliebenen Weltgegend dem wissenschaftlichen Besitze nicht vorenthalten zu dürfen, und entsenden daher, indem wir auch hier wieder anführen, dass wir dasselbe dem Wohlwollen des würdigen Elias Fries verdanken, die Charactere desselben zugleich mit den allfälligen specifischen Kennzeichen.


A n u b i a s. Spatha cylindrice-voluta, lamina hiante. Spadix spatham excedens, ubique organis tectus, inferne ovaries, medio synondrodiis, reliqua parte synandriis apicem (inflorescentiae) versus imperfectis obsitus. Ovaria bilocularia, loculamentis multiovulatis, ovulis e medio axeos exertis, longule-funiculatis, hemianatropis, micropyle tholispectante. Stylus brevissimus. Stigmaconvexo-diseoideum, Synandria truncata, loculis quam connective brevioribus. Synandrodia synandriis similia.
A n u b i a s Afzelii. Peliolus 5--6 pollicaris, lenuis, ultra medium vaginatus, apice in geniculum longulum transiens. Lamina fol. elongato-lanceolata, peliolo multo-longior, inferne cuneala, el ima basi abrupte cure geniculo juncta, apice longe-acuminala, venis arcualo-patentibus, creberrimis, approximatis, hinc inde confluenlibus, pseudoneuris in ipso margine 2-bus, venulis transversis, copiosissimis, approximatissimis, tenuissimis in strucla. Pedunculus 9-10 pollices lonqus, tenuis. Spatha bipollicaris, apice repentiaocontracta, apiculata. Spadix tenuis, spatham 6ta parte superans breviter-stipitalus. Habit. in Sierra-Leone (Afzelius).

Schönbrunn, 27. November, 1857.

Der Autor des Beitrages: Alexander Grigorov.

Im Beitrag wurden die Informationen von der folgenden Seite verwendet:
http://www.tropica.ru/forum/index.php?showtopic=22762&pid=214069&st=0&#entry214069
Fotos: Dmitry Loginov

© Alexander Grigorov
© Dmitry Loginov

Mittwoch, 18. November 2009

Anubias gilletii – Perle der Hausorangerieen


A. gilletii ist meines Erachtens einer der schönsten Vertreter der Gattung Anubias. Diese Art hat pfeilförmige Blätter, die sich auf bis zu 60 cm langen (in meinem Glaushaus), feinen Blattstielen horizontal zur Wasseroberfläche befinden. Das Rhizoms erreicht einen Durchmesser von 1 cm. Die Blattstiele sitzen daran sehr eng aneinander und streben zur Lichtquelle empor. Schon das erinnert einen an einen wunderbaren Schnittblumenstrauß in der Vase. Und dünne, kleine und scharfe Stachel sind denen von Rosen ähnlich.

Noch dazu blüht A. gilletii üppig das ganze Jahr hindurch. An meiner Anubias gilletii habe ich gleichzeitig bis auf 7 Blütenstände beobachtet. Wie bei allen großen Anubias-Arten ist der Blütenstand deutlich kürzer als der Blattstiel, deshalb sprießen die Blumen unter den Blättern.

Taxonomisch gesehen ist A. gilletii eine “problemlose” Art. Das ist wahrscheinlich die einzige Anubias unter größeren Arten, deren Lage in der Systematik keine Zweifel erregt. Den postsowjetischen Raum “bewohnt” nur die eine Pflanze unter diesem Namen und zwar die, die ich oben beschrieben habe (im Gegensatzt zu den anderen Anubias, die unter mehreren – häufig falschen – Bezeichnungen gehalten und gehandelt werden).


Die Information über diese Pflanze im Internet ist sehr knapp, es gibt Bilder aus dem Botanischen Garten Lyon (Frankreich), aber die Blattform der dort abgebildeten A. gilletii unterscheidet sich etwas von der unserigen. Nichtsdestoweniger konnten wir dank der üppigen Blüte den Bau der Infloreszenz detailliert erforschen. Die Fotos von Sergey Gerasimov zeigten, dass die Theken an den Kanten der Synandrien liegen, die ihrerseits aus 3-5 zusammengewachsenen Staubfaden bestehen. Ähnlich ist die Beschreibung der Struktur des männlichen Teils von der Blume in der Revision Crusios.
Aber in unserem Fall ist die Zahl weiblicher Blumen erheblich größer, etwa 60 (in der Revision dagegen 20-30). Außerdem wiesen Crusios Exemplare von A. gilletii Sprösse (stolons) auf. Wir haben diese Seitensprösse zwar weder bei A. gilletii noch bei allen anderen Anubias-Arten gesehen, jedoch sind diese Unterschiede von geringer Bedeutung.


             
Zu den wenigen negativen Eigenschaften von A. gilletii gehört kein gutes Wachstum im submersen Zustand, obwohl es uns bekannt ist, dass man solche Haltung im Aquarium ein Jahr lang praktizierte. Außerdem ist es schwer, trotz regelmässiger und üppiger Blüte von A. gilletii in Hausorangerieen reifen Pollen zu bekommen.

Schnelle Fäulnis und Verwesung der Gewebe des männlichen Teils von der Blume ist wahrscheinlich auf hohe Luftfeuchtigkeit (ca. 98%) zurückzuführen, die in relativ kleinen Terrarien bzw. Paludarien herrscht.






Der Autor des Beitrages: Dmitry Loginov.

Der Autor gebrauchte Informationen von der folgenden Internetseite:

Aus dem Russischen übersetzt von Alexander Grigorov
Fotos: Sergey Gerasimov, Dmitry Loginov und Valentina Romanova.

© Dmitry Loginov
© Alexander Grigorov

Freitag, 13. November 2009

Wim Crusio: Der einzige Grund, warum ich 5 Varietäten der A. barteri auszusondern versuchte, war rein pragmatisch (ein "Amazonas"-Interview). Teil 2.

“Amazonas”: Vor kurzem besprachen wir ein morphologisches Merkmal, das in Ihrer Revision nicht enthalten ist. Damit ist auch meine nächste Frage verbunden. Eines der kennzeichnenden Merkmale z.B. der Pflanzen der Gattung Lagenandra ist die involute Knospenlage (Vernation), bei der die austreibenden Blätter von beiden Blatträndern her eingerollt sind. Alle Anubias haben eine konvolute Vernation, das heißt, ihre Blätter sind nur von einem Blattrand her eingerollt. Aber die Richtung dieser Einrollung ist bei verschiedenen Anubias-Arten differentiell (rechts- oder linksläufig). Was bedingt diese Richtung? Ist dieses Merkmal stabil innerhalb einer Art?


Wim Crusio: Also ich muss es zugestehen, ich habe nie der Vernation der Anubias Aufmerksamkeit geschenkt! Und ich weiß nicht, ob dieses Merkmal innerhalb der Arten stabil bleibt. Im großen und ganzen sind sehr wenige Pflanzenarten (und noch weniger Tierarten) lateralisiert, deswegen würde das mich nicht wundern, wenn dieses Merkmal für jeden Klon mehr oder weniger zufällig wäre. In der Kultur scheinen die Arten mehr variabel als in der Natur zu sein, denn oft haben wir verschiedene Pflanzen, die wahrscheinlich von einer begrenzten Zahl der Klone stammen.

“Amazonas”: Welchen Platz nimmt Ihrer Meinung nach die Pflanze unter der Handelsbezeichnung Anubias “coffeefolia” in der Systematik der Anubias ein? Ist sie eine neue Art oder eine künstlich geschaffene Hybride?

Wim Crusio: Ich habe nie eine lebendige A. “coffeefolia” gesehen, nur auf Bildern. Ich glaube, dass es um eine der vielen Varietäten von A. barteri geht. Ich habe mir mehrere Sammlungen wilder Pflanzen dieser Art angeschaut und kann sagen, dass sie extrem polymorph ist.

“Amazonas”: Unter allen Anubias-Arten kann nur Anubias barteri var. nana völlig submers gehalten werden. Dieses Merkmal ist auch für alle interspezifischen Hybriden der Anubias typisch. In diesem Zusammenhang wird’s vermutet, dass ein spezielles Gen für dieses Merkmal (lange Zeite submers zu leben) verantwortlich ist. Was meinen Sie dazu?

Wim Crusio: Als Genetiker zweifle ich daran, dass nur ein einziges Gen für eine so komplexe Eigenschaft wie Fähigkeit zur submersen Lebensweise verantwortlich ist. So viel ich weiß, hat man A. heterophylla mit grösserem Erfolg submers gehalten als andere (oder sogar alle) Varietäten von A. barteri.

“Amazonas”: Zu welcher Art gehört Ihrer Meinung nach diese Anubias (auf dem Bild ist eine zweijährige Pflanze). Was könnte der Grund dafür sein, dass die Stengel so ungewöhnlich (rötlich-braun oder rot) gefärbt sind?






Wim Crusio: Das sieht etweder nach A. barteri var. angustifolia oder nach einer sehr schmalblättrigen Form von A. afzelii aus. Nun brauchen Sie die Größe der Infloreszenz mit den in meiner Revision erwähnten Größen zu vergleichen, doch die Pflanze gehört bestimmt zu A. barteri var. angustifolia.

“Amazonas”: Anubias-Liebhaber haben bemerkt, dass die Spatha von A. barteri – Subspezies ganz am Ende ein bisschen nach unten gekrummt ist oder die Form einer Spiral hat. Laut Ihrer Revision haben Sie mehrere Anubias-Arten kultiviert: Sind diese Unterschieden zwischen den Arten Ihnen aufgefallen? Wovon kann das abhängen: von den Haltungsbedingungen oder von der Physiologie einer einzelnen Pflanze?

Foto A: Аnubias barteri var. caladiifolia mit dem leicht gesunkenen Ende der Spatha am ersten Tag der Blüte.
Foto B: Anubias barteri var. nana auch am ersten Tag der Blüte, aber man sieht, dass die Spatha nicht völlig gesunken ist.






Wim Crusio: Um zu erfahren, was diese Differenzen verursacht, müsste man die Pflanzen unter unterschiedlichen Bedingungen kultivieren und vielleicht auch sie miteinander kreuzen.

“Amazonas”: Einige von uns, Anubias-Freunden aus Russland, Moldowa und der Ukraine, halten Anubias sp. ‘Gabon’. Kennen Sie diese Pflanze (siehe Fotos)?






Wim Crusio: Das ist eine Form von A. barteri. Wahrscheinlich A. barteri var. barteri.

“Amazonas”: Die Taxonomie ist eine relative Wissenschaft. So viel ich weiß, versuchen moderne Systematiker die Verwendung solcher Bezeichnungen wie "Varietät" und "Subspezies" zu vermeiden und beschränken sich auf Arten. Wie stellen Sie sich dazu unter Berücksichtigung des Falls Anubias barteri ein?


Wim Crusio: Ich bin damit absolut einverstanden. Wie ich in meiner Revision schreibe, sind die Grenzen, die ich zwischen den Varietäten zog, eher bedingt. Ein anderer Systematiker hätte das vielleicht anders gemacht und mehr (oder weniger) Varietäten ausgesondert. All das erinnert mich ein wenig daran, wie wir zwischen klein- und hochgewachsenen Menschen unterscheiden: Es gibt unter Menschen mit normalem Körperbau auch Extreme (Zwerge und Riesen), aber innerhalb einer gegebenen Population kann man das ganze Spektrum von klein bis hoch finden.

“Amazonas”: Alle Pistille von Anubias gracilis, die wir bisher gesehen haben, waren rötlich-rosa. Kann die Farbe auch ein Schlüssel zur Indentifikation der Arten sein?



Wim Crusio: Wahrscheinlich. Aber A. gracilis scheint sehr rar zu sein und es ist durchaus möglich, dass alle Pflanzen in Kultur nur von ein und demselben Klon stammen. Ich habe rötlich-rosa Pistille auch bei A. hastifolia gesehen, also von diesem Standpunkt aus wäre es für mich sehr schwer, zwischen barteri und gracilis zu unterscheiden ...


“Amazonas”: Welche Frage war für Sie besonders interessant oder kompliziert?

Wim Crusio: Die komplizierteste war für mich die Frage, ob ich noch Aquarien halte, denn das rief ein nostalgisches Gefühl hervor und ich möchte wirklich mehr Freizeit haben, um mich diesem wunderbaren Hobby wieder zu widmen!

“Amazonas”: Herr Crusio, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Interview: Alexander Grigorov.


Fotos: Sergey Gerasimov, Dmitry Loginov and Konstantin Ilyin.

© Alexander Grigorov

Donnerstag, 5. November 2009

Wim Crusio: "Der einzige Grund, warum ich 5 Varietäten der A. barteri auszusondern versuchte, war rein pragmatisch" (Ein "Amazonas"-Interview). Teil 1.

Anfang dieses Jahres organisierte die russische Version der deutschen Aquarium-Zeitschrift “Amazonas” ein Interview mit Herrn Prof. Wim Crusio, dem Autor der Anubias-Revision. Wir danken der russischen “Amazonas”-Redaktion für die Möglichkeit, dieses Interview in unserem Forum zu veröffentlichen.


“Amazonas”: Nachdem ich Ihre Revision gelesen habe, bekam ich den Eindruck, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Botaniker an diesen Pflanzen sehr interessiert waren. Mit anderen Worten sammelte man Pflanzen, beschrieb sie, revisionierte alte Beschreibungen. Was passiert heutzutage in diesem Bereich? Ist die klassische Botanik nicht mehr “in”? Sind neue Anubias-Arten seit der Veröffentlichung Ihrer Revision in der Fachliteratur beschrieben worden?

Wim Crusio: Nein, neue Arten von Anubias hat seit jener Zeit keiner beschrieben. Ich bin mir nicht sicher, dass die klassische Botanik heute aus der Mode kommt. Ich glaube, hier sind mehrere Faktoren im Spiel. Heute stehen uns viel mehr Sammlungen zur Verfügung (und man hat zu ihnen einen leichteren Zugang), als den Botanikern Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts. Wenn wir eine Sammlung bekommen, so stellt es sich oft heraus, dass viele Pflanzen darin bereits ihren wissenschaftlichen Namen haben. Und vor 100 Jahren konnte man in derselben Sammlung noch unbeschriebene Arten finden, zur Zeit ist es nicht der Fall. Dazu haben moderne Systematiker ein viel breiteres Konzept der Art ("Lumper"), als die Botaniker vor hundert Jahren ("Splitter").

“Amazonas”: Aus Ihrer Revision geht hervor, dass die Blattform der Anubias keine große taxonomische Bedeutung bei der Identifikation der Arten hat, nur der Sitz und Struktur der Theken an dem Synandrium spielen eine große Rolle. Und troztdem haben Sie auf Grund der verschiedenen Blattformen 5 Varietäten der Anubias barteri ausgesondert. Aus welchem Grund haben Sie den Arten A. auriculata und A. haullevilleana (beschrieben von Engler und Wildeman) den Status der A. hastifolia-Varietäten nicht verliehen?

Wim Crusio: Das ist eine gute Frage! Der einzige Grund, warum ich 5 Varietäten der A. barteri und nicht der A. hastifolia (oder z.B. einer anderen Art) auszusondern versuchte, war rein pragmatisch. Viele verschiedene Klone der A. barteri-Formen werden von Aquarianern kultiviert und ich begriff, dass es für diese Menschen sehr unbequem wäre, falls ich all diesen Pflanzen ein und denselben Namen, "A. barteri",gegeben hätte. Mit anderen Worten hatte ich ein Bedürfnis, innerhalb der Anubias barteri mehr Typen zu unterscheiden. Und da andere Arten viel seltener gehalten werden, spürte ich keine Notwendigkeit, ihre Varietäten zu identifizieren.

“Amazonas”: Seit langer Zeit werden Anubias in der Aquariumistik gebraucht und das machte sie sehr populär. Was bewegte Sie dann zur Untersuchung gerade dieser Pflanzen am Anfang Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn? Haben Sie zur Zeit oder hatten Sie einmal ein Aquarium oder ein Paludarium zu Hause?

Wim Crusio: Mein erstes Aquarium bekam ich mit 12 oder 13 Jahren und später began ich kleine Beiträge über Fische und Pflanzen für unseren lokalen Aquariumverein zu schreiben. Ja, es ist wahr, mein erster Beitrag war Anubias-Pflanzen gewidmet! Aber damals habe ich sie nicht richtig erkannt und auf Grund der Zeichnungen im Buch von de Wit als Lagenandra lancifolia bezeichnet. Dank meinem Hobby beschloss ich Biologie an der Universität Nijmegen zu studieren. Um Magister zu werden, hatte ich drei Forschungsprojekte durchzuführen: zwei 6-monatige und ein 12-monatiges. Ich war an der biologischen Systematik interessiert und fragte Herrn Prof. de Wit aus Wageningen, ob ich eines meiner 6-monatigen Projekte bei ihm erledigen kann. Ursprünglich schlug er mir vor, die Gattung Cabomba zu erforschern, aber die Mitarbeiter seines Laboratoriums waren dagegen (denn offiziell spezialisierte sich das Labor auf afrikanische Pflanzen). De Wit schlug dann Mayaca vor, aber eine neue Revision dieser Gattung war bereits vor einigen Monaten erschienen. Dann rief er Herrn Josef Bogner aus München an und dieser wählte Anubias. Das war eine grössere Art, als de Wit wollte (nicht vergessen, dass das Projekt nur ein halbes Jahr dauern musste), trotzdem fingen wir die Arbeit an. In 7 Monaten war meine Revision fertig. Danach schaltete ich mich auf die Forschung des genetisch bedingten Verhaltens von Mäusen um und verteidigte meinen Doktortitel. Zwar hatte ich seit jener Zeit kein Aquarium zu Hause, hielt jedoch Arten von Anubias, Cryptocoryne und Lagenandra in dem Treibhaus des Botanischen Gartens Nijmegen. Ich machte einige experimentale interspezifische Kreuzungen, hatte leider keine Möglichkeit, diese Arbeit fortzusetzten (ihre Ergebnisse enthält die deutsche Übersetzung meiner Anubias-Revision). Nach meiner Promotion verließ ich die Niederlande und arbeitete zunächst in Heidelberg, dann in Paris. Von dort aus hatte ich natürlich keinen Zugang zu dem Treibhaus, meine Mäuse-Forschungen nahmen mich voll in Anspruch. Also seit der Mitte der 1980er beschäftige ich mich mit Aquarien oder Aquariumpflanzen nicht so aktiv. Aber wenn ich mich in den Ruhestand begehe, fange ich bestimmt wieder an, Aquarien (und Wasserpflanzen!) zu halten..

“Amazonas”: Es ist bekannt, dass sich die Anubias-Arten sehr leicht miteinander kreuzen. Es wurden viele Hybriden von diesen Pflanzen künstlich geschaffen. Gewiss können wir diese Prozesse auch in der Natur beobachten. In Hinsicht auf den relativen Charakter des Begriffs “Art” in der Biologie sowie die Revison, die die Arten nur auf Grund ihrer Verwandschaft ordnet, ist es trotzdem interessant zu wissen, wie Ihre Revision die Existenz möglicher Naturkreuzungen der Anubias berücksichtigt. Sollte man Ihrer Meinung nach auch genetische Merkmale in modernen Revisionen in Betracht nehmen (so war es auch der Fall in der Echinodorus-Revision von Lehtonen)?

Wim Crusio: 1977 (als ich an meiner Anubias-Revision arbeitete) verfügten wir über solche Forschungsmethoden nicht. Es wäre natürlich interessant, mir diese Hybriden anzuschauen! Ob es viele Naturkreuzungen gibt, weiss ich nicht. Und vergessen Sie nicht, dass sich die Verbreitungsgebiete mancher Arten (zum Beispiel A. afzelii) nicht überlappen.

”Amazonas”: Können Sie uns Internetseiten empfehlen, die mehr oder wenig volle Informationen über Anubias enthalten?

Wim Crusio: Tatsächlich kenne ich keine empfehlenswerten Seiten…

“Amazonas”: Sind Ihnen Liebhaber bekannt, die eine möglichst komplette Sammlung von Anubias besitzen? Wenn ja, dann wie könnte man mit ihnen Kontakte anknüpfen, um unsere Erfahrungen auszutauschen?

Wim Crusio: Ich muss es gestehen, ich habe seit langem keine Kontakte mit denen, die sich für Wasserpflanzen interessieren. Ich kann nur vermuten, dass Josef Bogner aus München noch eine gute Sammlung hat oder auch andere Sammler kennt.

“Amazonas”: In diesem Zusammenhang möchte ich fragen, ob Sie eine Anubias hastifolia Engl. in Ihrer Sammlung hatten oder haben? Wenn ja, dann würde ich Sie bitten, uns die Blätter und – wenn möglich – den Blutenstand zu zeigen.

Wim Crusio: Ja, ich hatte diese Art (momentan nicht). Ich besitze Dias, habe aber keinen Scanner dafür. Wenn ich mich nicht irre, gab es Bilder dieser Art in der deutschsprachigen Version meiner Revision.

“Amazonas”: Können Sie, bitte, die Situation um Anubias pynaertii erläutern? Bei der Arbeit an Ihrer Revision hatten Sie mit mehreren Belegen zu tun, aber damals wuchsen die Pflanzen nur in Ihrem Labor in Wageningen. Zur Zeit bleibt A. pynaetrii eine große Seltenheit. Zum Bespiel in Russland wird sie überhaupt nicht kultiviert. Unter der Bezeichnung “A. pynaertii” kann man eine Pflanze mit der folgenden Blattform kaufen (siehe das Bild unten). Was ist Ihres Erachtens der Grund dafür, dass diese Art so rar ist?




Wim Crusio: Ich bin mir nicht sicher, dass das Blatt auf dem Bild zu A. pynaertii gehört, aber es ist durchaus möglich. Für eine sichere Indentifizierung bräuchte ich die Infloreszenz von dieser Pflanze. Ich weiss auch nicht, warum sie so selten ist, denn ihre Kultivierung nicht komplizierter als die der anderen Arten.

Fortsetzung folgt

Interview: Alexander Grigorov

Foto: Dmitrij Loginow

© Alexander Grigorov

Montag, 2. November 2009

Anubias “nangi” – ein seltener Gast in Russland

Fast jeder Anubias-Liebhaber in Russland hat von dieser Hybride gehört, aber wenige haben eine lebendige Anubias “nangi” gesehen. Wahrscheinlich haben die europäischen Händler ihre Pflanzen an unserem Land vorbei exportiert. Zwar schuf vor 10 Jahren der bekannte russische Züchter Sergej Bodjagin eine Kreuzung aus A. barteri var. nana x A. gilletii, jedoch genoss der russische “Zwilling” der Anubias “nangi” keiner großen Popularität unter unseren Aquarianern.

Der Ukrainer Sergej Gerasimow erzählte den Teilnehmern des Russischen Anubias-Forums von dieser Pflanze: “Ich möchte nicht alle Quellen aufzählen, wo Anubias “nangi” erwähnt wird: es gibt sie, aber nicht zu viel und nicht zu wenig. Diese Anubias war vor zehn Jahren im Westen ausgesprochen beliebt, aber – zu meinem Bedauern – ist in der gängigen Fachliteratur kein Photo dieses Speerblattes zu finden. In ihrem Buch “Aquarienpflanzen” berichtet Christel Kasselmann, dass die Kreuzung A. barteri var. nana x А. gilletii von R.A. Gasser, dem Besitzer einer Wasserpflanzenanlage, durchgeführt wurde.

















Zunächst wollte ich mich danach erkundigen, wer R.A. Gasser ist. Nach einer kurzen Suche entdeckte ich die Cryptocorinen-Seite von Jan D. Bastmeijer, wo er auch einige Tatsachen zum Leben und Werk von Robert Gasser veröffentlicht hatte. Gassers Firma "Quality Aquarium Plants" belieferte viele Zoofachgeschäfte in den USA und anderen Ländern mit Aquariumpflanzen. Einen großen Wert legte Gasser auf die Sammlung und Vermehrung von Cryptocorinen. Er schrieb eine Reihe von Beiträgen, die dieser Gattung gewidmet wurden. Zwei Arten tragen auch seinen Namen - Cryptocoryne gasseri N. Jacobsen (1979) und Cryptocoryne amicorum De Wit & Jacobsen (1983). Leider ist Robert A. Gasser 2002 verstorben. Und es gelang mir nicht, über den heutigen Zustand seiner Firma sowie über seine Arbeiten an der Zucht von Anubias zu erfahren…

Ich geriet also in eine Sackgasse. Dann begann ich nach Information über Peter Schneider, den einzigen mir bekannten europäischen Händler von Anubias “nangi” zu suchen. Es stellte sich heraus, dass sich Herr Schneider und seine Gattin bereits seit 40 Jahren mit der Vermehrung und dem Verkauf der Aquariumpflanzen beschäftigen. Peter erwies sich als sehr geselliger Mensch und teilte mir mit, dass er seine Anubias “nangi” persönlich von Herrn Gasser erhalten und sie lange Zeit in seinem Treibhaus vermehrt hatte.

















Er hat mir Folgendes über diese Pflanze geschrieben: "Anubias nangi wurden bei mir in emerser Kultur niemals über 15 cm hoch; submers wird sie höchstens 10 cm hoch… Anubias nangi hat ein viel zärteres Blatt (submers und emers) als alle andern mir bekannten Anubias-Arten und wächst auch etwas schneller als andere Arten dieser Gattung. Sie ist darum eine äusserst wertvolle Art für den Vordergrund eines Aquariums".

Außerdem schickte mir Herr Schneider ein Bild von der Pflanze und eine Zeichnung dazu und erlaubte diese Materialien in unserem Forum zu gebrauchen. Dafür möchte ich ihm ganz herzlich danken”.

Die Autoren des Beitrages: Dmitrij Loginov, Moderator des Russischen Anubias-Forums, Sergej Gerasimow.
Im Beitrag wurden die Informationen von der folgenden Seite verwendet.

Übersetzt aus dem Russischen von Alexander Grigorov

Photo und Zeichnung: Peter Schneider.

© Dmitrij Loginov
© Alexander Grigorov

Samstag, 31. Oktober 2009

Die Revision der Gattung Anubias: 30 Jahre später


Im Jahre 1979 verteidigte der junge Wim Crusio im holländischen Wageningen seine erste solide wissenschaftliche Arbeit, die er unter der Leitung von Herrn Prof. De Wit geschrieben hatte. So kam die auch noch heute gültige Revision der Gattung Anubias zur Welt. Schon damals lockten diese westafrikanischen Uferpflanzen die Aquarianer an und ihr Interesse wurde von Jahr zu Jahr nur größer. In unserer Zeit gibt es Anubias-Freunde, die diese Pflanzen in speziellen kleinen Treibhäusern im emersen Zustand halten, ihre Physiologie und Samenvermehrung studieren und etc. Viele neue Sorten überschwemmen den Markt, und so kommt es hier immer häufiger zur Frage, ob die Revision noch aktuell bleibt. Ist sie nicht veraltet? Diese Frage berühren wir noch einmal am Ende dieses Beitrages, jetzt aber gehen wir kurz darauf ein, wie Herr Crusio die Systematik von Anubias revolutionierte.

Als wichtigstes artbestimmendes Merkmal wählte er die Struktur des Blutenstandes oder der Infloreszenz. Nach diesem Merkmal wurde die Artenzahl auf 8 reduziert. Bei der Arbeit an der Revision gebrauchte man Herbariumbelege, lebende Pflanzen, (Erst-)Beschreibungen der Vorgänger wie A. Engler und N.E. Brown. Einige Bezeichnungen wurden als Synonyme der gültigen Arten anerkannt, die anderen bekamen den Status von Varietäten innerhalb der Art Anubias barteri, die dritten (Anubias auriculata, A. haullivelleana, A. affinis u.a.) verschwanden für ewig. Aber in wieweit richtig ist dieser einheitliche Maßstab? Es ist nicht leicht, diese Frage eindeutig zu beantworten. Wenn wir die Definition des Wortes “Art” berücksichtigen, - und die ist sehr schwammig, - so ist wahrscheinlich alles richtig. Doch für Sammler und Aquarianer ist es unbequem, denn viele Pflanzen, die sehr ähnliche Blutenstände haben, unterscheiden sich von einander durch die Blattform. Im Endeffekt wachsen in manchen Aquarien zwei verschiedene A. hastifolia, mehrere Varietäten von A. heterophylla, geschweige denn viele Sorten mit Handelsbezeichnungen, die man manchmal auch für Arten hält. Dies ist im Grunde genommen falsch, weil solche Pflanzen wie A. barteri ‘Broad Leaf’ und A. barteri var. nana ‘Petite’ mit der Revision der wilden Anubias-Arten nicht zu tun haben.

Und jetzt zurück zu der Frage: Ist die Revision von 1979 veraltet? Nein! Vom Standpunkt der klassischen Botanik aus kann sie nicht aus dem Gebrauch kommen, weil es in den letzten 30 Jahren keine neue Art beschrieben worden ist. Sie kann ursprünglich unrichtig oder unvollkommen sein, aber nicht obsolet! Für eine vollkommenere Revision muss man nach anderen morphologischen Merkmalen und neuen Betrachtungsweisen suchen. Anfang der 1990-er hatte der Moskauer Botaniker Michail Serebryany seine eigene Ansicht über diese Frage. Davon wurde leider keine einzige Zeile veröffentlicht und gerade deswegen bleibt die von ihm vorgeschlagene neue Art A. erubescens nach wie vor ein Synonym für A. afzelii. Trotzdem hegt er die Hoffnung, seine Sache zum Klappen zu bringen.


Es scheint mir, dass die Zukunft der auf genetischen Merkmalen basierten Systematik gehört. Eine breite Verwendung dieses Herangehens scheitert heute an sehr kostenspieligen genetischen Untersuchungen, darum setzt die Welt fort, die “immergrüne” Revision von Wim Crusio zu benutzen …


Der Autor des Beitrages: Dmitrij Loginov, Moderator des Russischen Anubias-Forums.

Im Beitrag wurden die Informationen von den folgenden Seiten verwendet: (http://www.tropica.ru/forum/index.php?showtopic=17582, http://www.tropica.ru/forum/index.php?showtopic=18171)

Übersetzt aus dem Russischen von Alexander Grigorov

Photo: Titelseite der Revision. Crusio W. A revision of Anubias Schott (Araceae) // Meded. Landbouwhogeschool Wageningen. – 1979.

© 2009 Dmitrij Loginov
© 2009 Alexander Grigorov